Wehres Geschichte in einem Text von 1985

Der Ortsname Wehre geht auf den Geschlechternamen der freien Herren von Werre zurück. In einer Urkunde des Kaisers Heinrich III. aus dem Jahre 1053 wird das Dorf zum ersten Mal genannt. Das Gaugericht sprach dem Ritter Tiemo aus dem Leragau seine Besitzungen in "Ost-Werri" und Weddingen ab, die der Kaiser erhielt und der Hildesheimer Kirche schenkte. Funde aus der Bronzezeit und Hügelgräber im Sudholz beweisen, dass hier schon die Germanen siedelten.

Ein "West-Werri" ist nicht beurkundet. Aber zweihundert Jahre später unterscheidet man in Urkunden 1258, 1321, 1323 zwischen Groß-Wehre, dem heutigen Wehre und Klein Wehre 1314. Es wurde später zerstört, und seine Bewohner zogen in das "Neue Dorf" in Schladen.

Mit Detlef von Werre ist der älteste Ahnherr des Geschlechtes in Urkunden aus der Zeit von 1158 bis 1175 bekannt. Er wird in der Gründungsurkunde des Klosters Wöltingerode ausdrücklich als "freier Mann" bezeichnet. Neben seinem weitverzweigten Geschlecht gab es noch die Ministerialen von Werre, Ritter im Dienste des Bischofs von Hildesheim. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts sind beide Geschlechter ausgestorben. Als letzter Herr von Werre wird Curd 1368 als Burgherr von Hornburg genannt. Das überlieferte Familienwappen zeigt einen mit "Eisenhütlein" bedeckten Wappenschild. Die Eisenhütlein wurden in das Wappen von Wehre übernommen. Mit der Farbe Grün wird daran erinnert, dass es ein altes Bauerndorf war. Heute werden noch sieben Höfe bewirtschaftet.

Von dem durch zwei Burgwälle gesicherten Besitz der Ritter ist nichts erhalten geblieben. Sie verkauften ihr Kirchenpatronat und gaben die Gerichtsbarkeit ab. Verkäufe und Verpfändungen von Besitz und Rechten waren im Mittelalter üblich, wenn man sich Vorteile davon versprach. Deshalb wechselten auch für Wehre häufig die Herren und Besitzer des Dorfes. So hatte das Domstift, Petersstift, das Frankenberger Kloster aus Goslar, aber auch die Hildesheimer Bischofsklöster Sankt Godehard, Heiningen und Dorstadt zeitweilig hier Besitz. Dazu kamen die weltlichen Herren, der Graf von Schladen und andere Rittergeschlechter der Umgebung.

Weil das Dorf an einer großen Heer- und Handelsstraße von Goslar nach Magdeburg lag, blieb es in Kriegszeiten nicht vor Überfällen und Brandschatzenden bewahrt. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 zogen die Truppen hier durch. Nachdem die fremden Völker abgerückt waren, fand man alle Kohläcker verderbt, die Häuser und Gärten übel zugerichtet und "die Kirche und des Opfermannes Hüttlein und andere Häuser durch Kriegsgewalt und Verwahrlosung angezündet und abgebrannt.." Des Kirchenvogts Haus hat "etliche Jahre in Asche gelegen." Die Kirche wurde im Jahre 1670 wieder aufgebaut.

Als 100 Jahre später Friedrich II. von Preußen den siebenjährigen Krieg gegen die Kaiserin Maria Theresia führte, stellten sich Georg II., König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover und der Herzog Karl V. von Braunschweig auf seine Seite. Die Franzosen, als Verbündete der Kaiserin eroberten nach der Schlacht von Hastenbeck/Hameln 1757 große Teile von Niedersachsen. Einquartierungen und Kriegssteuern belasteten die Dorfbewohner. Der Generalfeldmarschall Herzog von Bevern schlug die Franzosen, aber als er in Westfalen kämpfen musste, drangen sie von Einbeck aus wieder vor. 1761 eroberten sie Wolfenbüttel, wurden aber zwei Tage später, am 16. Oktober, vom Prinzen Friedrich von Braunschweig geschlagen. Ob Franzosen, Hannoveraner, Hessen oder Preußen im Dorfe lagen, immer waren es seine Einwohner, welche die Lasten zu tragen hatten. Viele verloren die Pferde, andere wurden zu Spanndiensten gezwungen. Dazu kamen Lieferungen und Steuern und eine starke Rekrutierung der jungen Burschen.

Als 1806 Napoleon Deutschland eroberte, brach eine Notzeit herein, die bis zum Ende der Befreiungskriege 1815 dauerte. Wieder zogen Not und Elend ein. Überliefert ist, dass man 1814 zu Vorspanndiensten 334 Pferde zu stellen hatte.

An die Opfer des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und die Gefallenen der beiden Weltkriege erinnern Gedenktafeln und das 1957 in einer Feierstunde eingeweihte Kriegerdenkmal. Nachdem die Amerikaner am 9. April 1945 den Ort kampflos eingenommen hatten, folgten nach ihrem Durchzug schwere Zeiten. Polen und andere Fremdarbeiter besetzten zwei Häuser und plünderten im Dorf. Erst als die Engländer Niedersachsen als Besatzungszone übernahmen, kehrten Ruhe und Ordnung ein. - Wehre musste über 300 Flüchtlinge aus den von Russen und Polen besetzten Ostgebieten aufnehmen. Damit verdoppelte sich die Zahl der Einwohner auf 670. Eine Kriegsfolge ist auch, dass in fünf Kilometern Entfernung die Zonengrenze verlief, eine durch Truppen der Volkspolizei bewachte und durch militärische Anlagen gesperrte Grenze. Hinter ihr lag die Deutsche Demokratische Republik, der andere Teil Deutschlands.

Über die Begebenheiten der letzten Jahre wurden Berichte in den 1963 erneuerten Knopf auf dem Kirchturm hinterlegt. Ebenso hatten es die Vorfahren 1712 und 1785 gehalten und vorher schon 1670, als die abgebrannte Kirche einen neuen Turm erhielt. Das Alter der Kirche ist unbekannt, es wird auf tausend Jahre geschätzt. Ein Kirchenpatronat besaßen schon die Herren von Werre. Im Jahre 1542 wurde die Reformation eingeführt. Wehre hatte lange Zeit einen eigenen Pastor. Heute wird es mit Beuchte zusammen kirchlich betreut. 1971/72 wurde die Kirche renoviert und erhielt als Geläut eine kleine und 1984 dazu große Glocke.

War Wehre bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Dorf, das abseits und unberührt von jeglichem Verkehr lag, so änderten sich die Verhältnisse fortlaufend bis zur Gegenart durch die Industrialisierung. Die 1868/69 in Schladen errichtete Zuckerfabrik bewirkte eine neuartige Feldbestellung. Da 1840 die Zins- und Zehntabgaben gegen Geldzahlungen abgelöst waren, besaßen die Bauern größere Freiheiten, bauten Zuckerrüben an und vergrößerten den Viehbestand. Seit 1888 wurde gemeinsam mit Neuenkirchen eine Molkerei betrieben. Für die Abwässer wurde die erste Verrohrung gebaut. Das erste Telefon bekam der Posthalter Ecklebe 1894 für seine Dienststelle. 1911 erhielt der Ort elektrisches Licht und eine Dorfbeleuchtung.

Bis in die Mitte unseres Jahrhunderts war Wehre ein typisches Bauerndorf. Heute werden sieben Höfe in viehloser oder viehschwacher Wirtschaftsweise betrieben. Die ab 01.12.1951durchgeführte Flurbereinigung erreichte, dass 212 Ackerpläne zu 57 zusammengelegt wurden. Die Grünlandpläne wurden ebenfalls verkoppelt. Gräben und Wege erheblich verkürzt und Drainagen gelegt. Damit veränderte sich auch das Landschaftsbild. Die Besitzeinweisung der neuen Pläne erfolgte am 01.01.1955.

Diese Entwicklung führte zu einem Strukturwandel im Dorfe. Die Technisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft waren eine unausbleibliche Folge. Nicht mehr wie früher wurden die meisten Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gebraucht, deshalb suchte man sich auswärts Arbeit. Heute leben viele Auspendler in Wehre, die in Salzgitter, Goslar, Wolfenbüttel und andernorts in Betrieben beschäftigt sind. In den Jahren 1955/56 wurden die ersten Siedlungshäuser gebaut.

Mit der Gebietsreform 1972 verlor die Gemeinde Wehre ihre Selbstständigkeit. Sie wurde aus dem Landkreis Goslar ausgegliedert. Weil Wehre weniger als 400 Einwohner zählte, wurde die selbstständige Verwaltung und Vertretung durch einen Bürgermeister und Gemeindedirektor aufgehoben.

  Um dem Zusammenhalt untereinander Ausdruck zu verleihen, haben sich die Bewohner schon früher zusammengeschlossen. Seit 1907 bestand die "Kyffhäuser Kameradschaft". 1926 wurde die "Freiwillige Feuerwehr" gegründet, die 1979 ein neues Gerätehaus erhielt. Zu einem Sportverein schloss man sich 1960 zusammen. Außerdem besteht eine "Gemütliche Runde".

 

(Textquelle: http://www.wehre-schladen.de/historie/text_1985.html )

 

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